Die Gelegenheit konnte ich mir nicht entgehen lassen. Nur zweimal im Jahr können die Kalk-Steinbrüche in Wülfrath besichtigt werden. Letzte Woche war es endlich soweit. Die beeindruckende Größe, der enorme technische Aufwand und die bezaubernde Schönheit bringen mich dazu, diesen Beitrag zu schreiben. Schließlich gibt es einige thematische Verbindungen zum bauen .
Kalk war mal Leben
Wissenschaftler zählen auch die mürben Kreidesteine zu den Kalksteinen. Wir Baumenschen meinen mit “Kalkstein” die verfestigte Variante des Minerals. Natürlicher Kalkstein besteht überwiegend aus Calcit und Aragonit. Er gehört zu den Sedimentgesteinen, die aus Ablagerungen fossiler Kleinstlebewesen, Mikroorganismen oder Korallen, Schnecken und Muscheln oder Schwämmen entstanden sind. Auch kalkabscheidende Algen und Bakterien wirkten mit. Diese Schichten sind teilweise hunderte Meter mächtig! Einmal zum Meeresboden gesunken, bilden sie dabei zunächst Kalkschlämme, die sich durch die Diagenese im Laufe der Zeit verfestigen. Calcit bildet sich. Das Aragonit wird ebenfalls zu Calcit umgewandelt. Während dieses Prozesses verfüllen sich auch Hohlräume mit Kristallen, wodurch die Sedimentstrukturen fast vollkommen verwischen.
Ein Baustoff entsteht
Vereinfacht gesagt, wird im Steinbruch ein riesiger Stein zersprengt, zermahlen, gebrannt, gelöscht, mit Wasser vermischt und an der Luft getrocknet. Am Ende steht der Ursprungsstoff, allerdings in der gewünschten neuen Form, z. B. als Kalksandstein. Das ist der berühmte technische Kalkkreislauf. Das zerkleinerte Material aus dem Steinbruch wird bei einer Temperatur von etwa 800 °C gebrannt. Dadurch entsäuert es, d. h. Kohlendioxid wird ausgetrieben. Der Stein verliert dabei etwa die Hälfte (!) seines Gewichts. Nach dem Brand ist der Kalk stark ätzend. Diesem ungelöschte Kalk (Calciumoxid) wird Wasser beigegeben, wodurch Calciumhydroxid entsteht. Die chemische Reaktion setzt viel Wärme frei – der trockene Baukalk entsteht. Nun wird er in gewünschter Körnung zermahlen und so zu dem, was wir von der Baustelle kennen.
Gibt man dem Baukalk die richtige Menge Wasser (H2O), verbindet er sich zusammen mit Kohlendioxid (CO2) aus der Luft zu Calciumcarbonat. Der Kreislauf schließt sich.
Für Umwelt und Stahlproduktion
Wer hätte das gedacht? Die Bauindustrie spielt bei der Nutzung von Kalk nur eine Nebenrolle, denn ein Drittel wird für die Eisen- und Stahlerzeugung benötigt. Für eine Tonne Roheisen braucht man 30 kg Branntkalk und 150 kg Kalkstein, denn er entzieht dem Roheisen mineralische Verunreinigungen. Auch Umweltschutz wäre ohne Kalk nicht denkbar, denn er bindet Giftstoffe und tötet Keime. Er senkt den Phosphatgehalt des Wassers und wird bei der Trinkwasseraufbereitung eingesetzt. Fast alle Verbrennungsanlagen reinigen ihre Abgase mit Kalk. Mit ihm saniert man Wälder vom sauren Regen und filtert Regenwasser. Mit Kalk werden Untergründe tragfähig gemacht (Bodenaufbereitung) und ohne Kalk könnten wir uns weder die Zähne, noch unsere Badezimmer putzen. Denn feingemahlen poliert er in Scheuermilch oder Zahnpasta wertvolle Oberflächen. Kalk kann was :-).