Die globale Erwärmung lässt sich realistisch noch auf 1,5 Grad begrenzen. Das sagte der Weltklimarat im Oktober 2018. Das ist nur erreichbar, wenn es in den nächsten wenigen Jahre weltweit einen fundamentalen Wandel gibt und neue Wege eingeschlagen werden. Betroffen davon sind alle CO2-emittierenden Wirtschaftsbereiche wie: Energie, Industrie, Gebäude und Transport. Zur Eindämmung der Erderwärmung muss der CO2-Ausstoß – bezogen auf das Jahr 2010 – bis 2030 um 45 % gesenkt werden und im Jahr 2050 auf NULL sein. Anhand der Zahlen wird schnell klar, was das für jeden von uns bedeutet. Das Balkendiagramm zeigt die CO2-Emission in Tonnen (pro Kopf). Jeder EU-Bürger verursacht durchschnittlich 9.000 kg CO2 im Jahr. Um diese Menge CO2 wieder zu binden, müsste jeder einen Wald mit 700 eigenen Bäumen besitzen.
Für die Freunde der Statistik: auf dem Globus wachsen ungefähr drei Billionen. Statistisch kommen also auf jeden Menschen weltweit 400 Bäume. Da die wenigsten einen Wald haben, bleibt nur die zweite Möglichkeit: den persönlichen CO2 Verbrauch reduzieren.
Aber nicht nur wir verbrauchen CO2, sondern auch die Wirtschaft und dabei insbesondere die Bauwirtschaft. Um klimaneutral zu bauen, müssen wir uns von der konventionellen Massivbauweise verabschieden. Es gibt nur eine Bauweise, die mehr CO2 bindet, als sie beim Bauen verbraucht: das Holz-Massivhaus. Holz ist ein nachwachsender Baustoff und ein CO2-Speicher, von dem weltweit jedes Jahr 3,6 Mrd. Kubikmeter geerntet werden – nicht nur zum Bauen. Aber betrachten wir zunächst die aktuelle Situation am Bau…
Das wichtigste Bindemittel ist Zement
Mit 2,8 Milliarden Tonnen ist Zement der meistverwendete Werkstoff überhaupt! In den letzten acht Jahrzehnten sind weltweit 76 Milliarden Tonnen Zement produziert worden. Dabei sind 38 Milliarden Tonnen CO2 in die Atmosphäre gelangt. Das ist der weltweite Gesamt-CO2-Ausstoß eines Jahres! Pro Jahr verursacht die Herstellung von Zement etwa 5 % des CO2-Ausstoßes aller Industrie- und Verbrennungsprozesse weltweit – das ist nicht gut. Aber was macht Zement so interessant fürs Bauen? Sein Zauber liegt in der Eigenschaft, sich dauerhaft durch die chemische Reaktion mit Wasser zu verfestigen. Zement wird zur Herstellung von Baustoffen wie Mörtel und Beton verwendet. Wegen seiner Härte und Dauerhaftigkeit von Beton gilt Zement als eines der wichtigsten Bindemittel der Bauindustrie.
Bauen ist eine Materialschlacht ohnegleichen
Weltweit werden pro Sekunde 800 Tonnen Baumaterial verbraucht! In einem durchschnittlichen Einfamilienhaus stecken 200 Tonnen Material. In einem Vier-Personen-Haushalt entfallen 50 Tonnen auf jeden Bewohner. Der überwiegende Teil dieses Baumaterials ist nicht aus nachwachsenden Rohstoffen.
Um CO2 einzusparen und klimaneutral zu werden, müssen wir nachhaltige Baustoffe verwenden, die bei der Produktion und Verarbeitung wenig CO2 freisetzen oder im Idealfall sogar CO2 im Bauwerk speichern. Dies gelingt durch den Einsatz von Massivholz. Auf der Suche nach klimaneutralen Baustoffen und beim Blick auf die eigene Bautradition trifft man unweigerlich auf einen Baustoff der Zukunft: Lehm. Der ergiebigste, am wenigsten genutzte und billigste Rohstoff liegt uns nämlich zu Füssen. Statt den Aushub für eine Baugrube (Kies, Sand, Lehm) abzufahren, sollten man ihn als Rohstoff für den Hausbau verwenden.
Lehm ist wiederverwendbar
Lehm hat das Potenzial für die Kreislaufwirtschaft – Cradle to cradle (C2C): Lehm ist wiederverwendbar und braucht für die Verarbeitung nur einen Bruchteil der Energie anderer Materialien. Seine positive Wirkung spürt man schon beim Bauen: Lehm ist angenehm zu verarbeiten, weil er z.B. keine Schadstoffe abgibt. Eingebaut regulieren Lehmputze die Raumluftfeuchtigkeit, dämmen den Schall, speichern die Wärme und absorbieren Gerüche. Lehm schafft gesunde und behagliche Räume.
Lehm (ver)bindet
Lehm entsteht aus Verwitterungsprozessen von Urgestein, ein Gemisch aus Tonmineralen und sandigen oder steinigen Bestandteilen. Dabei bilden die Körnungen das Traggerüst, während die Tonminerale als Bindemittel fungieren und für die Plastizität sorgen. Aber Lehm ist nicht gleich Lehm! Seine Zusammensetzung hängt vom Fundort ab und selbst innerhalb eines Abbaugebietes schwankt die Zusammensetzung. Der Schlüssel zur Nutzung von Lehm als Baustoff ist seine Bindekraft, die vom Tongehalt bestimmt wird: Lehme mit einer Bindekraft unter 50 g/cm² sind zum Bauen ungeeignet. Verwendbar sind magere bis fette Lehme. Magere Lehme haben einem geringeren Tonanteil. Ihre Bindekraft liegt zwischen 50 und 80 g/cm². Fette Lehme mit einem höheren Tongehalt haben Bindekräfte zwischen 280 und 360 g/cm².
Carbonbeton – Baustoff der Zukunft | Normalerweise werden tragende Rohbau Konstruktionen aus Stahlbeton gebaut. In Zukunft wird die Stahlbewehrung durch Carbon ersetzt….
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Bauen mit Lehm ist die Zukunft des Bauens
Gebäude aus Lehm können besonders günstig gebaut werden, wenn es sich um lokales Material handelt. Schon aus gesundheitlichen Gründen hatte Lehm als Baustoff schon immer einen hervorragenden Ruf. Lehm schont Ressourcen und reguliert auf natürliche Weise das Raumklima. Die Verarbeitung des Baustoffes erzeugt einen nur sehr kleinen CO2 Fußabdruck. Wer hätte das gedacht: Im Kontext der erforderlichen CO2-Reduktion kann Lehm das ideale Baumaterial der Zukunft werden. Lehmhaltige Erde ist überall reichlich vorhanden. Darum ist Verwendung von Lehm als Baustoff auch nichts Neues. Ein wenig ist es in Vergessenheit geraten, aber seit Menschengedenken entstehen überall auf der Welt Häuser aus diesem Baustoff.
Es stimmt, moderne Baustoffe haben große Vorteile. Je mehr man allerdings die echten Produktionskosten und den CO2-Fußabdruck in die Qualitätskriterien einbezieht, desto besser steht Lehm als Baustoff da. Das Potenzial von Lehm wird unterschätzt. Leider fehlen die Experten, die mit Lehm umzugehen wissen. Eine Randbemerkung sei erlaubt: Trotz modernster Bauprodukte gibt es immer mehr Baumängel auf unseren Baustellen!
Während die Baustoffindustrie seit Jahrzehnten an der Verbesserung von Beton-, Stahl- und Holzkonstruktionen arbeitet, wurde der Lehm eher “traditionell” verarbeitet. Lehm war etwas für Idealisten. Doch jetzt entstehen Innovationsschübe: Architekten und Ingenieure optimieren die Materialeigenschaften und Konstruktionsprozesse, um das Bauen mit Lehm effizienter zu machen und durch die Erhöhung des Vorfertigungsgrades auch schneller zu werden.
Linktipp zum Thema Lehmbau: Dachverband Lehmbau
Quellen: ETH Zürich Quelle: ETH Life, Online News, 25.10. 2017
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