Im Bauwesen, besonders im Rohbau, wird Stahlbeton eingesetzt. Der Werkstoff heißt “Stahlbeton”, weil er tatsächlich aus zwei Teilen ist: Stahl und Beton. Beton besteht aus Zement, Sand, Kies oder Splitt, eventuell mit Zusatzmitteln und Wasser. Beton ist der günstigere Teil von beiden. Beton lässt sich auch, je nach Konsistenz, leicht formen, da er in flüssiger Form verarbeitet wird. Beton eignet sich ja fließt. Beton eignet sich wegen seines niedrigen Preises besonders für massive, großvolumige Bauteile. Beton zeichnet sich durch seine hohe Druckfestigkeit aus. Er hat allerdings nur eine niedrige Zugfestigkeit – etwa 10 % der Druckfestigkeit. Wie Carbonfasern im Carbonbeton die Zugkräfte übernehmen, wird später noch beschrieben. Um dem Basisbaustoff Beton Zugfestigkeit zu verleihen, wird in den Betonkörper Stahl eingebaut. Stahl “bewehrt” den Beton. Der Stahl im Beton, auch Bewehrungsstahl genannt, ist ein gerippter oder profilierter Rundstahl mit hoher Zugfestigkeit (500 N/mm²). Man baut ihn in die Schalung für das geplante Bauteil ein und betoniert den Stahl dann ein. Der Verbund zwischen Beton und Betonstahl entsteht durch die Haftung des Zements, die Reibung zwischen Stahl und Beton sowie den Formschluss, den die Rippung der Bewehrung erzeugt. Das Geniale an der Kombination ist, dass Stahl und Beton sich gleichförmig ausdehnen. Stahl und Beton haben denselben Wärmeausdehnungskoeffizienten. Temperaturänderungen führen daher zu gleichgroßen Wärmedehnungen beider Materialien. Es entstehen keine nennenswerten Eigenspannungen im Stahlbeton.
Damit die Stahlbewehrung im fertigen Betonteil an der vorgesehenen Stelle bleibt und sich beim Betonieren nicht verschiebt, fixiert man sie mit Bindedraht zu einem Korb. Beim Einfüllen umhüllt der Beton den Stahl vollständig, was den Verbund der beiden Baustoffe sicherstellt. Um eine Mindestdicke an Beton zwischen der Stahlbewehrung und der Außenfläche des Bauteils zu gewährleisten, setzt man Abstandshalter aus Kunststoff oder Beton zwischen Bewehrung und Schalung ein und betoniert sie mit ein. Damit erzeugt man eine korrekte Betonüberdeckung des Stahls.
Die richtige Betonüberdeckung ist für Stahlbeton lebenswichtig
Die Betonüberdeckung schützt die Stahlbewehrung vor Feuchtigkeit, Sauerstoff und Chloriden. Bei unzureichender Überdeckung dringen diese Substanzen leichter zum Stahl und verursachen Korrosion. Warum ist korrodierender Stahl ein Problem? Korrodierter Stahl dehnt sich aus, was zu Rissen und Abplatzungen im Beton führt. Risse schwächen die Struktur und beschleunigen nochmal die Korrosion.
Auch der Beton selbst altert. Er reagiert im Laufe der Zeit mit Kohlendioxid aus der Luft. Eine ausreichende Überdeckung mit Beton verlangsamt den Gesamt-Korrosions-Prozess. Ohne Überdeckung dringt die Karbonatisierung schneller zur Bewehrung vor und zerstört die Passivierungsschicht des Stahls, was die Korrosion nochmals beschleunigt. Vor der Verarbeitung des Baustahls entsteht auf dem unbehandelten Bewehrungsstahl durch die Reaktion des Metalls mit Sauerstoff (Oxidation) aus Luft und/oder Wasser eine Oxidschicht (Rostschicht) mit ihrer typisch braunen Farbe. Diese braune Oberfläche ist die Passivierungsschicht.
In Regionen mit wechselnden Temperaturen kann eindringendes Wasser im Beton gefrieren und auftauen. Dies erzeugt Druck und führt zu Rissen, die die Schutzwirkung der Betonüberdeckung weiter beeinträchtigen. Eine unzureichende Überdeckung mindert auch die Fähigkeit des Betons, Lasten gleichmäßig zu verteilen und abzutragen, was auch die Struktur des Betons gefährdet. Mechanische Einwirkungen wie Stöße und Schläge führen bei geringer Überdeckung leichter zu Abplatzungen und Rissen, die den Schutz der Bewehrung beeinträchtigen. Die Betonüberdeckung wirkt als Wärmedämmung für die Bewehrung im Brandfall. Bei unzureichender Überdeckung erhitzt sich der Stahl schneller, verliert an Festigkeit und beeinträchtigt die Tragfähigkeit der Struktur. Schäden durch Korrosion, Risse und Abplatzungen erfordern aufwendige und teure Reparaturen. Unzureichende Überdeckung führt daher zu höheren Wartungs- und Instandhaltungskosten. Sorgfältige Überwachung und Kontrolle während der Bauausführung kann sicherstellen, dass eine optimale Betonüberdeckung gebaut wird. Der “empfindliche” Stahl wird in Zukunft durch Carbon ersetzt.
Carbonfasern können Stahl ersetzen
In Zukunft wird die Stahlbewehrung durch Carbon ersetzt. Carbonfasern rosten nicht und lösen so ein großes Problem von Bauwerken aus Stahlbeton, die der Witterung ausgesetzt sind, z.B. Brücken. Rost und Korrosion der Bewehrung gehören dann der Vergangenheit an, denn Carbon rostet nicht. Die im Carbonbeton verarbeitetet Carbonfasern benötigen nur eine dünne Beton-Überdeckung. Beim Stahlbeton dient die schützende Überdeckung dem Korrosionsschutz. Das macht Stahlbetonkonstruktionen mächtiger und schwerer, als es statisch eigentlich erforderlich ist.
Die Betonüberdeckung schützt nicht nur vor Korrosion, sondern auch vor Hitzeeinwirkung im Brandfall. Die Bewehrungseisen im Beton werden bei Hitze weich und verlieren ihre statische Funktion, sodass auch ein Stahlbetonbauwerk bei einem Brand einstürzen kann. Das kann bei Carbonbeton nicht passieren, da Carbon einen viel höheren Schmelzpunkt hat. Deshalb lassen sich mit Carbonbeton schlanke und trotzdem sehr tragfähige Konstruktionen realisieren. Mit Beton und Carbon werden zwei Materialien intelligent kombiniert, um die besonderen Eigenschaften beider zu nutzen:
- Beton: DRUCKKRAFT. Beton kann man in jede beliebige Form gießen. Er kann große Druckkräfte aufnehmen und hat viele andere Vorteile. Unter anderem ist Beton sehr witterungsbeständig. Das gilt nicht für den darin verbauten Stahl, der anfällig für Korrosion ist.
- Carbon: ZUGKRAFT. Carbon nimmt große Zugkräfte auf, korrodiert nicht und ist weniger temperaturanfällig.
Carbonbeton kann u.a für schlanke Fassadenplatten oder für Schalenkonstruktionen im Brückenbau verwendet werden. In alten Gebäuden lassen sich mit Carbonbeton zu schwache Betonkonstruktionen nachträglich verstärken.
Mit Carbonbeton gegen den Klimawandel
In Immobilien steckt graue Energie. Das bedeutet, dass die gesamte Energiemenge, die für die Herstellung, den Transport, die Lagerung, den Verkauf und die Entsorgung von Baumaterialien und Bauprodukten benötigt wird, gemeint ist. Diese Energie ist in den Materialien und Prozessen “versteckt“ und wird deshalb als “grau“ bezeichnet.
Der Anspruch an CO2-Reduzierung ändert den Umgang mit Bestandsimmobilien: Gebäude werden möglichst lange genutzt. Sie müssen Nutzungsänderungen möglich machen. Immobilien werden in Zukunft daher nur noch selten abgerissen, sie werden umgebaut. Durch einem Umbau lässt sich die Tragfähigkeit bestehender Konstruktionen mit einer dünnen Schicht Carbonbeton schnell verdoppeln. So lassen sich riesige Immobilienwerte erhalten. Die Sanierung mit Carbonbeton ist zudem viel günstiger als z.B. eine Ausführung mit Spritzbeton. Die Nutzung reduziert den CO2-Ausstoß drastisch und neue Gebäude halten ohne Korrosion länger.
Ende 2016 wurde Prof. Manfred Curbach, Prof. Chokri Cherif und Prof. Peter Offermann der Deutsche Zukunftspreis für Technik und Innovation zuerkannt. Zum ersten Mal wurden damit Arbeiten aus dem Bauwesen ausgezeichnet. Die marktfähige korrosionsbeständige Alternative zu Stahlbeton ist eine der nachhaltigsten Innovationen der letzten Jahre.
Carbonbeton Update 2024
Inzwischen werden Hochleistungs-Carbongelege zur Verstärkung von Beton in vollautomatisierten Prozessen hergestellt. Dadurch können Carbonbewehrungen großvolumig und kostengünstig angeboten werden. Das Herstellen von Armierungsgittern aus Carbon, Basalt und AR-Glas macht das möglich. AR-Glas, auch bekannt als Alkali-Resistenz-Glas, hat eine spezielle Funktion bei der Betonarmierung und besteht aus bestimmten chemischen Komponenten, die ihm seine einzigartigen Eigenschaften verleihen. Bei der Sanierung von Stahlbetonbauwerken und der Herstellung von Betonfertigteilen kommen diese Bewehrungsmatten zum Einsatz.
Carbongitter braucht man für Nachhaltiges Bauen und weniger CO2-Emissionen. Die Materialeffizienz und Ressourcenschonung sind beim Bauen heute unerlässlich. Carbonbeton ist ein umweltfreundlicher, recycelbarer und langlebiger Verbundwerkstoff, der bei der Verstärkung und Instandsetzung von Bestandsgebäuden neue Möglichkeiten bietet. In hochautomatisierten Fertigungsstraßen werden Carbonbewehrungen inkl. Imprägnierung inzwischen industriell gefertigt.
Durch Anpassung der Carbonstrukturen kann das Material weich oder hart gemacht werden, was verschiedene Anwendungsmöglichkeiten bietet. Es kann als Rollenware zur Verstärkung bei Reparaturen und Sanierungen, als Plattenware für die Betonfertigteilindustrie oder für Ortbetonkonstruktionen verwendet werden. Es können auch filigrane Gitter oder stabförmige Strukturen und Gittergelege als Ersatz für Stahlbewehrung dienen. Mit Carbon-Gittergelegen können Betone mit einem Großkorndurchmesser von bis zu 16 mm verarbeitet werden. Der Einsatz von Material und Energie ist im Vergleich zu herkömmlichem Beton geringer. Carbonbewehrungen eignen sich für Architekturbeton im Bereich der Reparatur und Verstärkung sowie für die Sanierung von Böden, Parkhäusern und Brücken. Die Herstellung von Carbonbeton ist ähnlich wie bei Stahlbeton. Noch liegen die Baukosten über denen von Stahlbeton. Langfristig jedoch lohnt sich das Material aufgrund niedrigerer Wartungskosten und längerer Lebensdauer.