Architekten und Autisten: Eine ungewöhnliche Verbindung? In unserer neuen Reihe beleuchten wir überraschende Gemeinsamkeiten und unterschiedliche Perspektiven. Erfahre, warum das Verständnis für fremde Wahrnehmungen nicht nur den Berufsstand der Architekten voranbringen könnte. Ein Thema, das zum Nachdenken anregt. Mit unserem Beitrag und dem heiklen Titel, möchten wir einen Impuls setzen. Den Titel verdanken wir übrigens einer künstlichen Intelligenz. Wir haben ChatGPT nach Architekten befragt, die an berühmten Bauwerken mitgewirkt haben. Als Antwort erhielten wir unbelegte, aber bemerkenswerte Zitate, die uns hellhörig werden liessen. Mehr zu diesem Thema erfährst Du im zweiten Teil unserer Reihe Architekten und Autisten. Im ersten Teil befassen wir uns zunächst mit Verhaltensmustern, von denen Bauherren und Kollegen regelmäßig berichten. Es geht um erstaunliche Parallelen bei Architekten und Autisten.
Autismus und pathologische Sachverhalte
Autismus wird in der Psychologie als pathologische Erscheinung betrachtet, die mit Ursachen und psychischen Erkrankungen in Verbindung steht. In der Sozialarbeit wird das Wissen über Autismus genutzt, um Klienten unterstützende Hilfe anzubieten. Daher ist es sinnvoll, die komplexen Mechanismen des Autismus konstruktiv zu nutzen. Autismus ist eine ernsthafte Angelegenheit und eine tiefgreifende Besonderheit in der Verarbeitung von Wahrnehmung. Es handelt sich in der Regel um eine Störung der Beziehungs- und Kommunikationsfähigkeit, die die Beziehungen zur Umwelt, die Teilnahme am Gemeinschaftsleben und die Integration in die Gesellschaft beeinträchtigt. Autismus betrifft kognitive, sprachliche, motorische, emotionale und interaktionale Funktionen. Darüber hinaus können Verhaltensauffälligkeiten auftreten, die für Bezugspersonen im täglichen Umgang belastend sein können. Autismus kann anhand der Sprachentwicklung, der nonverbalen Kommunikation, des Maßes an Flexibilität und selbststimulierender Verhaltensweisen erkannt werden.
Architekten müssen den Bauwillen herausfinden
Inhaltlich springen wir nun zu den Architekten. Im Zuge ihrer hoheitlichen Aufgaben müssen sie bei einem Planungsauftrag herausfinden, was gebaut werden soll und was gebaut werden darf. Das ist Teil der Grundlagenermittlung. Früher war es ein normaler und eine übliche Aufgabe der Leistungsphase eins in der HOAI. Dass die dort angelegten Leistungen sich im Laufe der Zeit von ihrem eigentlichen Ziel entfernt haben, wurde nie umfänglich kritisiert. Nein, das Defizit wurde nicht einmal ernsthaft wahrgenommen. Für dies wirklich wichtige Leistung werden Planer weiterhin honoriert, obwohl die Arbeit bei den meisten Planern sträflich vernachlässigt wird. Das Ziel dieser Leistung ist es, den Wunsch und die wahren Anforderungen der Bauherrn zu ergründen bzw. den Bauwillen und das Bausoll herauszuarbeiten. Es ist total normal, dass Bauherren in der Regel zu Beginn nicht wissen, was gebaut werden soll oder muss. Bauherren fehlt trotz snscheinendem Basiswissen die Erfahrung und das echte Know-how. Wäre es anders, dann bräuchte man keine Architekten mehr – Bauherren kämen mit Bauzeichnern und Bauunternehmern aus und könnten auch so bauen. Die Erfahrung hat jedoch bewiesen, dass das ohne Expertenrat nicht klappt. Eigentlich sitzen Architekten also gut im Sattel. Man nimmt ihnen die Kompetenz ab. Doch in der Vergangenheit ist etwas anderes geschehen: Im Normalfall – also bei kleinen und mittleren Projekten – traut der Bauherr dem Architekten es nicht mehr alleine zu und mischt sich darum erheblich in die Arbeit ein, obwohl er dafür ja eigentlich ein Honorar bezahlt. Beim Metzger um die Ecke würde er das übrigens nicht tun. Das Konfliktpotential zwischen Architekten und Bauherren wächst also schon gleich zu Beginn. Je grösser die Organisation des Bauherren ist, desto aufwendiger wird die Arbeit dann auch für Planer, denn man lässt die Architekten nicht gewähren. Man begleitet sie auf Schritt und Tritt. Ein großer Bauherr wartet oft mit Gruppen eigener Fachleute auf, um die gewollten Qualitäten zu sichern. Die Kommunikation zwischen Bauherren und Planern gelingt dann nur mit besten Kommunikationsfähigkeiten. Besonders wichtig ist hier das genaue Hin- und Zuhören untereinander. Ist diese Fähigkeit gestört oder unterentwickelt, verläuft der Prozess nicht gut. Es entsteht dann schnell Unzufriedenheit auf beiden Seiten.
Kritische Worte von Bauherren
“Architekten sind arrogant, selbstverliebt und ignorant. Sie hören nicht richtig zu. Architekten möchten meistens nur ihren Willen durchsetzen. Ihre Ideen, und seien sie noch so unvernünftig, sind ihnen oft wichtiger, als die gegensätzliche Sichtweise der Bauherren. Sie glauben, Bauherren haben keine Ahnung. Architekten rücken nur wiederwillig von ihrem Gestaltungskonzept ab. Sie zu kritisieren kommt regelmäßig einer Majestätsbeleidigung gleich. Oft ignorieren Architekten die explizit ausgesprochenen Wünsche des Bauherren und hören nur das, was sie hören möchten und in ihr Konzept passt.”
Kritische Worte von Architekten
“Mein Bauherr weiss alles besser als ich. Na klar! Zumindest meint er einige seiner eigenen Anforderungen zu kennen. Es wurde erneut ein Änderungswunsch vom Bauherrn gefordert. Warum sagt er das nicht gleich am Anfang? Der Bauherr wusste es schon vorher, hat es nur nicht gesagt oder er konnte es nicht artikulieren. Wir haben an einander vorbei gesprochen. Architekten und Bauherren sprechen verschiedene Sprachen.”
Wie verhalten sich Architekten und Autisten
Autisten haben Beeinträchtigungen in der Kommunikation und der Phantasie. Sie ziehen sich häufig zurück und kapseln sich ab – daher die Bezeichnung autistisch. Jede Veränderung in ihrer Umwelt kann sie stark erregen. Kinder mit Autismus können nicht normal spielen und benutzen ihr Spielzeug in immer gleicher, oft zweckentfremdeter Art und Weise. Bei Verspielter Nutzung und Zweckentfremdung musste ich zwangsläufig an eine bekannte Fassade in Düsseldorf denken, bei der in sehr aufwendiger Weise versucht wird, eine Buchenhecke am Leben zu halten, damit sie Schatten spendet und zum besseren Klima beisteuert. Die besagte Buchenhecke wächst in schwarzen Stahlbehältern und wird künstlich bewässert. Das Ganze wird als nachhaltige Lösung präsentiert verspricht besseres Klima in Düsseldorf. Ein Narrativ, zu dem kritische Fragen unerwünscht sind. Die Zeit wird zeigen, ob Substrate in Blechkisten an Fassaden für das Gedeihen von Buchenhecken zuträglich sind. Mehr dazu findest DU im Teil 2 unserer Reihe Architekten und Autisten.
Architekten und Autisten motivieren sich selbst
Menschen mit Autismus entwickeln selbststimulierende Verhaltensweisen. Veränderungen in ihrer Umgebung, wie verstellte Möbel oder ein anderer Weg können manche autistische Menschen verunsichern. Betroffene können fast panisch werden, wenn Dinge sich nicht an ihrem gewöhnlichen Ort oder in bestimmter Anordnung befinden. Überraschungsbesuch oder spontane Ortswechsel bringen sie aus der Fassung. Viele Handlungen laufen ritualisiert ab. Abweichungen von Ritualen können Chaos im Kopf verursachen. Für unerwartete Änderungen fehlen Autisten die Strategien.
Das Asperger-Syndrom und die Inselbegabungen
Das nach dem österreichischen Mediziner Hans Asperger benannte Asperger-Syndrom (AS) gilt als leichte Form des Autismus und manifestiert sich meist im vierten Lebensjahr an. Trotz der Beeinträchtigungen für Freunde und Familie, gibt es auch positive Aspekte des Asperger-Syndroms. Es gibt viele Berichte über das zeitgleiche Auftreten von überdurchschnittlicher Intelligenz oder von Inselbegabung. Leichte Fälle von Asperger-Syndrom werden im Englischen umgangssprachlich als Little Professor Syndrome oder Nerd Syndrome bezeichnet. Menschen mit Asperger-Syndrom können z.B. oft gut logisch denken. Die Interessen liegen oft im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich. Auch geisteswissenschaftliche und andere Gebiete sind beliebt. Autisten konzentrieren sich häufig auf bestimmte Gebiete. Manche haben dann dort außergewöhnliche Fähigkeiten. Zum Beispiel im Kopfrechnen, beim Zeichnen, in der Musik oder in der Erinnerungsfähigkeit. Die Hälfte der Inselbegabten Menschen sind Autisten.
Bekannte Architekten mit Asperger-Syndrom
- Frank Lloyd Wright (1867-1959): Der amerikanische Architekt gilt als einer der bedeutendsten des 20. Jahrhunderts. Er war bekannt für seine organische Architektur, die sich harmonisch in die Landschaft einfügt
- Le Corbusier (1887-1965): Der Schweizer Architekt war einer der Begründer der modernen Architektur. Er war bekannt für seine funktionalistische Architektur, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert
- Zaha Hadid (1950-2016): Die irakisch-britische Architektin war bekannt für ihre avantgardistische Architektur. Sie war die erste Frau, die den Pritzker-Preis, den renommiertesten Architekturpreis der Welt, erhielt.
Es gibt viele Architekten mit Asperger-Syndrom. Sicher sind auch Dir schon welche begenet, die in ihrem Bereich erfolgreich geworden sind. Es passt nicht zum Autismus, grundsätzlich von Behinderung zu sprechen, da Autismus auch eine besondere Begabung ist. Trotz umfangreicher Forschung gibt es noch kein Erklärungsmodell, das die Ursachen autistischer Besonderheiten belegt. Nach heutigem Stand geht Autismus nicht wieder einfach weg, genauso wie Talente für immer bleiben.
Entwickelte Stereotypen bei Autismus
Autisten entwickeln oft Stereotypien, wie das Drehen und Kreiseln von Rädern, Rieseln mit Sand, Wedeln mit Fäden oder Papier. Die Symptome einer autistischen Störung sind in ihrem Ausprägungsgrad unterschiedlich. Autisten bestehen zwanghaft auf bestimmte Ordnungen, sie sammeln exzessiv bestimmte Gegenstände, sie weigern sich bestimmte Kleidung zu tragen, zeigen immer gleiche Verhaltensweisen oder wiederholen sprachliche Äußerungen und können Bezugspersonen damit manchmal zur Verzweiflung bringen. Vielen fehlt auch das Risikobewustsein und das Kostenbewustsein. Ein großer Teil autistischer Menschen lernt nicht richtig zu sprechen, weil sie sich ausschliesslich auf sich fokussiert entwickeln.
Das Verhalten von Architekten
Architekten entwickeln sich-verselbstständigende-Arbeitsweisen mit ungewissem Ergebnis. Dies nennt man auch das Blackbox-Syndrom. Auch Architekten bestehen scheinbar zwanghaft auf bestimmte Kleidung und Ordnung. Manchmal bringen sie Projektbeteiligte durch das Gestalten, durch ihre Neigungen zur Verzweiflung. Manche Architekten lernen nie die Sprache der anderen, weil sie glauben, es nicht zu brauchen.
Auffälliges Verhalten von autistischen Kindern
Kinder mit frühkindlichem Autismus zeigen eine starke Objektbezogenheit, die häufig auf eine bestimmte Art von Gegenständen beschränkt ist. Ihre Aufmerksamkeit ist auf wenige Dinge, wie Wasserhähne, Türklinken, Fugen zwischen Steinplatten oder kariertes Papier gerichtet, die sie sehr stark anziehen, sodass alles andere sekundär wird und nicht oder kaum beachtet wird.
In der Kommunikation mit anderen Menschen haben autistische Menschen Schwierigkeiten, Gesagtes über die genaue Wortbedeutung hinaus zu verstehen, zwischen den Zeilen zu lesen. Ihre Stimme klingt oft eintönig. Manche Autisten scheinen die Außenwelt kaum wahrzunehmen und teilen sich ihrer Umwelt auf ihre ganz individuelle Art mit. Deshalb wurden autistische Kinder früher auch Muschelkinder oder Igelkinder genannt.
Die visuellen und auditiven Wahrnehmungen sind oft ungewöhnlich intensiv. Daher besteht manchmal die Annahme, Abschaltfunktionen im Gehirn würden als Selbstschutz mögliche Reizüberflutungen vermindern. Autismus ist unabhängig von der Intelligenzentwicklung, auffällig ist der relative Anteil hochbegabter Menschen. Einige autistische Menschen erreichen erstaunliche Teilleistungen im Rechnen, in technischen Disziplinen, in der Musik und auf anderen Gebieten zeigen.
Vor diesem Hintergrund ist verstehende Kommunikation mit einem Autisten schwer. Emotionen werden oft falsch gedeutet oder gar nicht erst verstanden. Diese möglichen Probleme müssen bei der Kontaktaufnahme berücksichtigt werden und verlangen ein großes Einfühlungs- und Vorstellungsvermögen.
Der Anteil der Autisten entspricht dem Anteil der Architekten in Deutschland
Nach heutigem Wissen sind in Deutschland einer vom 1.000 Menschen von autistischen Störungen betroffen. Jungen bzw. Männer sind drei- bis viermal häufiger betroffen als Mädchen bzw. Frauen. Deutschland hat rund 82 Millionen Einwohner. Von denen üben 131.000 den Architektenberuf aus. Das sind auch ein Promille der Bevölkerung. Gibt es da einen Zusammenhang oder ist das ein statistischer Zufall? Laut Statistischem Bundesamt betrug der Anteil der männlichen Architekten und Stadtplaner in Deutschland zum 1. Januar 2022 rund 63 %. Männer trifft man also doppelt so häufig in diesem speziellen Beruf an.
Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ist der Männeranteil im Architekturberuf mit 60 Prozent in Deutschland hoch. In Litauen und Griechenland verhält es sich genau umgekehrt. Dort sind 60 Prozent der Architektinnen Frauen.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Autismus und Diskriminierung?
Laut einer Studie des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) aus dem Jahr 2022 sind 72 Prozent der Führungskräfte und Chefs von Architekten in Deutschland männlich. Dieses Verhältnis korreliert mit der Verteilung von Autismus bei Männern und Frauen. Die Studie untersuchte die Geschlechterverteilung in Führungspositionen in 20 verschiedenen Berufsfeldern. In keinem anderen Berufsfeld war der Unterschied zwischen dem Anteil der männlichen Beschäftigten insgesamt und dem Anteil der männlichen Führungskräfte so groß wie bei Architekten. Für diese Diskrepanz gibt es verschiedene Gründe. Frauen sind in der Architektur noch immer unterrepräsentiert sind. Ein Grund ist, dass Architektinnen häufiger beschäftigt arbeiten. Im Jahr 2022 waren es 40 Prozent der Architektinnen, während Männern nur zu 25 Prozent teilzeitbeschäftigt sind. Es gibt Hinweise, dass Frauen in der Architektur häufig mit Benachteiligungen und Diskriminierungen konfrontiert sind. So gaben in der BIBB-Studie 58 Prozent der weiblichen Architekten und Stadtplaner an, dass sie in ihrer beruflichen Laufbahn aufgrund des Geschlechts benachteiligt wurden.
Die Diskrepanz zwischen dem Anteil der männlichen Beschäftigten insgesamt und dem Anteil der männlichen Führungskräfte in der Architektur ist ein Problem, da sie die Chancengleichheit für Frauen behindert. Um das Problem zu lösen, wären Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern in der Architektur sinnvoll.
Trotz umfangreicher Forschung gibt es bislang noch kein Erklärungsmodell, das schlüssig die Entstehungsursachen autistischer Störung belegt. Nach heutigem Stand ist Autismus nicht heilbar.
Schon vor vielen Jahren hat sich die AKNW mit unserem Thema auseinander gesetzt. Mehr dazu findest Du in diesem Link.