Um die Herausforderungen des nachhaltigen Bauens zu meistern, müssen Architekten und Ingenieure exzellent ausgebildet sein. Eine Trennung der Bau- und Planungsdisziplinen ist nicht mehr zeitgemäß. Wir brauchen ein neues Selbstverständnis aller in der Verantwortung für das Gebaute. Das beim BAuen so viel schief geht, ist ein Indikator dafür. Auch bei finanziell gut ausgestatteten Projekten entstehen regelmäßig Probleme: Der Stuttgarter Bahnhof, der Berliner Flughafen, die Hamburger Elbphilharmonie usw. Die Ursache für diese Probleme sind auch in der Lehre zu suchen. Es fehlt nämlich, und das hört man in Stuttgart, in Berlin und in Hamburg unisono, die Gesamtschau auf ein Projekt, jemand der für städtebauliche Fragen Verständnis hat, der Pläne lesen kann, aber auch Ausschreibungstexte; ein Baumeister, Techniker und Generalist. Eine einfache Gruppe von Fachleuten kann diesem Anspruch offensichtlich nicht mehr gerecht werden – zwanzig Solisten ergeben bekanntlich noch kein Orchester. Gesucht wird also ein Dirigent, jemand der das ganze Bild sieht. Aber woher soll so jemand kommen? Die Bau-Uni in Hamburg geht neue Wege in der Ausbildung von jungen Bauexperten.
Die HafenCity Universität
Die Stadt Hamburg hat am 1. Januar 2006 die HafenCity Universität Hamburg (HCU) gegründet und damit einen Prozess initiiert, der diesbezüglich hoffen lässt. Dazu wurden vier Fachbereiche von drei Hochschulen verschmolzen. Die HCU löste Lehrstühle und Institute zugunsten sogenannter ‚Schools‘ (Bachelor, Master, Research) auf, um interdisziplinäres Forschen und Arbeiten zu fördern, und zwar mit dem Ziel, die Ressourcen und Potenziale der Ingenieurs- und Naturwissenschaften, der Geistes- und Sozialwissenschaften sowie der Disziplinen Gestaltung und Entwurf zusammenzuführen. Dabei beginnt die Betrachtungsphase jeder Bautätigkeit lange vor dem ersten Spatenstich und endet auch nach Ablauf der Gewährleistung nicht.
Bau-Uni mit dem Prinzip Offenheit
Das gesamte Vorhaben HCU gedeiht in einer Kultur der Offenheit. Bauingenieure bekommen Verständnis für den Entwurf entwickeln, Architekten ihren Blick für die Statik schärfen und Städteplaner ein soziales Gewissen ausbilden. Das Gebäude der Universität ist auch kein akademischer Rückzugsort, sondern ein wahrlich öffentlicher Raum ohne gebaute oder gedachte Hemmschwellen. Wer das Haus betritt, befindet sich sogleich inmitten von Ausstellungen, Gesprächen, Diskussionen usw. Studierende wie Lehrende nutzen dabei hereingetragenes Lob, Kritik und Kommentare als zusätzlichen Input für ihr Tun. Die HCU verfügt mit ihrem International Office quasi über ein ‚Auswärtiges Amt‘, das Studierende der HCU über Auslandsaufenthalte informiert und mit Kontakten und Tipps versorgt. Das Büro steht aber auch Studenten aus dem Ausland offen, die sich für einige Zeit an der HCU einschreiben möchten. Dieses Angebot bringt der Universität Impulse von außen, befördert den ‚intellektuellen Nährstofftransport‘ und bewirkt, das eigene Konzept der Welt vorzustellen.
Das Gebäude
Das neue Gebäude der HafenCity Universität wurde an der Einmündung des Magdeburger Hafens in den Baakenhafen errichtet. Es liegt also mit eigenem U-Bahn-Anschluss in einer der aktuell prominentesten Quartiere Hamburgs. Inmitten der ‚Größten Baustelle Europas‘ studiert man das Bauwesen schon, wenn man nur aus dem Fenster schaut. Und von denen gibt es reichlich. Die Architekten von Code Unique aus Dresden entwarfen zwei Gebäudeteile, die durch Stege und Treppen innerhalb eines gläsernen, mehrgeschossigen Zwischenraumes verbunden sind. Der nördliche Bau orientiert sich an der dort verlaufenden Überseeallee und zeigt sich als recht geschlossene, flächige weiße Fassade (Wärmedämmverbundsystem) mit horizontal verlaufenden Fensterbändern (dreifache Schallschutzverglasung). Sein südliches Pendant präsentiert sich mit auskragenden Brüstungselementen, die eine leichte Wellenform aufweisen, in Richtung Elbe. Zwischen den Brüstungen wechseln sich verglaste Flächen mit schwarzen Dämmpaneelen ab. Im Inneren fallen die beiden hohen gläsernen Foyers auf, die räumliche Großzügigkeit vermitteln und auch den innen liegenden Räumen Blickbeziehungen zur spektakulären Außenwelt gestatten. Das Verhältnis von reinen Nutz- zu Verkehrs- und Mischflächen überrascht zunächst. Konisch zulaufende Flure und sehr kleine verglaste Einzelbüros mit vorgelagerten, ebenfalls verglasten Besprechungszonen, durch Faltwände zum Foyer zu öffnende Hörsäle, terrassiert angelegte Sitzgruppen, eine Mensa, die auch außerhalb der ansonsten üblichen Zeiten geöffnet ist, all das wurde geplant, um die eingangs angesprochene interdisziplinäre Kommunikation zu fördern – und es funktioniert. Wo immer sich gerade ein Gespräch entwickelt, ist ein ‚Besprechungs-Raum‘ nicht weit. Das allerorten verfügbare Intranet sowie ein flächendeckender Internetzugang ermöglichen den spontanen Austausch; immer und für jeden. Auch die Professoren befinden sich aufgrund des Raumkonzeptes in ständigem Dialog mit ihren Kolleginnen und Kollegen sowie mit den Studierenden.
Haustechnik
Die bereits erwähnte Dreifachverglasung erzielt neben dem Schallschutz auch sehr gute Wärmedämmwerte. Die Decken des vier-, bzw. fünfgeschossigen Gebäudes wurden mit einer Betonkernaktivierung versehen, die gleichzeitig kühlen und heizen kann und so auch dem sommerlichen Wärmeschutz dienlich ist. Dieser wird ansonsten größtenteils über eine Nachtlüftung erzielt; hierzu werden entsprechende Fensterelemente gezielt angesteuert. Ein Dali-System regelt den Einsatz von Kunstlicht, und zwar abhängig von der zur Verfügung stehenden Tageslichtmenge sowie dem Bedarf, welcher über Bewegungssensoren erfasst wird. Schließlich kommen, sehr naheliegend, ‚Windlüfter‘ zum Einsatz, wie man sie vom Prinzip her auch aus dem Schiffsbau kennt. Im Rahmen des Feuer- und Rauchschutzes wurden knapp 200 T30 und T90 Hörmann Türen und Türanlagen eingebaut, unter anderem STS-Stahlblechtüren, die stumpf einschlagen, wodurch Zarge und Türblatt im geschlossenen Zustand flächenbündig in einer Ebene liegen. Außerdem lieferte Hörmann auf Maß gefertigte verglaste Rohrrahmenelemente aus dem Programm S-Line, die sich durch ihre schmalen Profile auszeichnen und so optisch zurücknehmen. Für die HCU wurden diese im Farbton RAL 9006, weißaluminium, pulverbeschichtet.
Original Autorin: Christina Gräwe / EINSATEAM