Architekten-Generalisten verhindern Innovation und bremsen BIM in Deutschland aus

Building Information Modelling ist 2019 das alles beherrschende Thema. Noch immer wird über die Ziele und Potential diskutiert – noch immer nicht alle Fragen geklärt. Ich werde in diesem Beitrag einzelne Aspekte herausgreifen und aus Baumensch-Sicht beleuchten. Ein BIM-Planerteam zu finden ist nicht leicht. Im Beitrag beschreibe ich den Grund für die zögerliche Umsetzung. Es gibt noch immer nicht genug Planer, die BIM „geräuschlos“ nutzen.

BIM ist eine Management Aufgabe

Zur Einstimmung: BIM ist die Planungsmethode der Zukunft. Sie basiert auf einem dreidimensionalen virtuellen Gebäudemodell, in dem sehr früh alle technischen Daten digital erfasst, kombiniert und miteinander vernetzt werden können. Dadurch wird u.a. die Bewirtschaftung in der Nutzungsphase einfacher. Das fertige Gebäude ist – zusammen mit dem BIM-Modell – optimal für die Zukunft aufgestellt, weil alle Gebäudeinformation über den gesamten Lebenszyklus effektiv digital gemanagt werden können.

In der Praxis stockt die Implementierung der BIM-Planungsmethodik noch, weil vielen Ingenieuren und Architekten der weitsichtige Blick auf ihr Tun fehlt: In ihren Köpfen steht die ordentliche Übergabe des fertigen Gebäudes ganz oben. Mit der mängelfreien Abnahme ist man sozusagen „raus“. Der Planer hat mit dem Gebäudebetrieb nichts zu tun. Das motiviert ihn nicht zum Umstieg. BIM hat die Bewirtschaftung und das gesamte Gebäudeleben bis zum Abriss im Fokus und stellt dabei die Bedürfnisse des Betreibers in den Vordergrund. Dieser Ansatz muss erst in den Köpfen der Planer ankommen. BIM ist die Voraussetzung für Nachhaltigkeit bei Immobilien!

In der Praxis bedeutet das beispielsweise: Facility Management muss integraler Bestandteil der Planung sein – vom ersten Tag an. Alle für den Betrieb zuständigen Funktionen müssen zusammen mit dem Betreiber intensiv in den Planungsprozess eingebunden sein. Leider vernachlässigen Planer dies und kochen stattdessen ihr Süppchen im stillen Kämmerlein.

BIM Integration ist großer Aufwand für Planer

Ja, Integration bedeutet Aufwand! Die Erhebung von FM-Daten für das 3D-Modell bedingt das Arbeiten mit BIM. Doch diese Zusatzleistung kostet Geld. Für den Bauherrn bedeutet das: vorgezogene Honorare, wenn er im Idealfall eine FM Strategie hat. Für die Planer bedeutet es: Investition in die IT und die Schulung seiner Mitarbeiter, soweit er überhaupt geeignete Fachleute im Team hat. Daher nimmt BIM nur langsam Fahrt auf. Aber es gibt noch andere Themen…

Der Generalist ist eine BIM Bremse

Architekten gelten als Generalisten. Bei ihnen sollen alle Fäden zusammen laufen. Sie sollen den Chor auf der Baustelle „dirigieren“. Auf dieser Grundlage wurde vor vielen Jahren auch das Preisrecht am Bau festgelegt: Die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI). Wie Architekten die generalistischen Grundsätze heute noch praktizieren können, wird in den zuständigen Architektenkammern lebhaft diskutiert. Fakt ist: Tendenziell argumentieren die Kammern– zum Teil aus gutem Grund – gegen eine Spezialisierung. Tenor: Architekten können alles bauen, wenn sie sich regelmäßig fort- und weiterbilden. Das Lösen von der Generalisten-Rolle hätte nämlich weitreichende Folgen für die HOAI. Und damit hört der Spass für Interessenvertreter auf, die schon länger für den Erhalt der HOAI kämpfen.

Die HOAI muss sich neu erfinden

Wegen der Digitalisierung der Planung muss die HOAI sich neu erfinden, denn die Realitäten am Bau haben sich verändert. Die Tatsache, dass im Wohnungsbau nur noch 10 Prozent mit Architekten geplant wird, spricht Bände. Dieser eigentlich attraktive Markt hat ein Volumen von 50 Mrd. € – das sind 80 Prozent aller Bautätigkeit in Deutschland. Verantwortlich für diese Entwicklung ist indirekt auch die HOAI. Das Beharren auf dem Generalisten-Ansatz z.B. bremst BIM aus. Begründung: Architekten haben wegen der stetig wachsender Komplexität genug damit zu tun, ihre Projekte wirtschaftlich abzuwickeln. Achtzig Prozent der Ingenieurbüros haben höchstens vier Mitarbeiter, von denen keiner die Zeit hat, parallel zu seinen laufenden Projekten, BIM professionell zu implementieren.

Spezialisierung am Bau ist 2019 längst Realität

Tatsächlich haben sich viele kleine Büros auf bestimmte Bauaufgaben spezialisiert und bieten schon längst nicht mehr alle Leistungsphasen an. Alles unter einen Hut zu bekommen, ist schlicht unmöglich. So kann sich BIM in der breiten Masse nicht durchsetzen – jedenfalls nicht schnell genug. Während große Planungsbüros mit Spezialisten im Team (!) auf BIM umsteigen – Bauherren fordern BIM – geraten die Kleinen weiter ins Hintertreffen. Das hilft keinem Generalisten.

Balkengrafik BIM

Der Blick über den Tellerrand zeigt, wie sich international das Leistungsbild der Architekten verändert hat bzw. traditionell kleiner ist. Beispiel England: Dort teilen sich unterschiedliche Spezialisten den “Planungskuchen”. Neben Architekten und Ingenieuren, haben sich weitere Berufsbilder wie: Building Surveyor, Quantity Surveyor, Plan Drawer, Architectural Designer, Planning Supervisor oder Serivce Consultants entwickelt. Gegen eine ähnliche Entwicklung laufen die Kammern und Berufsverbände in Deutschland Sturm. Sie verkennen dabei den Vorteil der Fragmentierung: Sie zwingt zu kollaborativem Denken und Handeln. Der aufrichtige Wunsch nach Kollaboration wäre eine gute Basis für eine schnelle Einführung von BIM. Die Grafik zum europäischen Vergleich verdeutlicht das eindrucksvoll.

Dieser Text soll dazu anregen, die Chancen in der Spezialisierung zu sehen und sich als Planer in diese Richtung zu entwickeln. Leider Kochen die meisten Architekten heute noch immer ihr eigenes Süppchen. Daher mein Appel: Fangt endlich an, gemeinsam zu kochen und von anderen zu lernen.


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