Baukunst – Kunst oder Dienstleistung?

Sind Architekten Dienstleister oder Künstler? Architekten sind auch Menschen. Jeder hat sein eigenes Verständnis vom Beruf. Das gewählte Rollenverständnis hat großen Einfluss auf die Haltung gegenüber Kunden. Das Rollenverständnis wirkt auf die Kommunikation und sogar auf die Arbeitsweise. Architekten gelten allgemein als Schöpfer von Baukunst. Dieses Narrativ ist allerdings nicht gut für das Verhältnis zwischen Architekt und Bauherr. Wir sind überzeugt: das Bild des “Baukünstlers” bildet kein stabiles Fundament für das Vertrauen zwischen Bauherr und Planer. Dabei ist Vertrauen so wichtig für erfolgreiches Arbeiten in der sogenannten VUCA-Welt. Vertrauen ist auch eine sichere Bank gegen technische Fake News und Informationsflut. Das Vertrauen muss besonders am Anfang einer Geschäftsbeziehung gepflegt und behütet werden.

Baukunst – was ist ein Künstler?

Was ist ein Künstler? Künstler komponieren musikalische Werke, sie malen Bilder oder formen Skulpturen. Doch sind Gebäude auch Kunstwerke? Kunstwerke haben nicht nur dekorative Funktionen. Sie dienen immer auch einem übergeordneten Zweck. Musik kann unterhalten oder entspannen. Ein Bild kann dekorieren und eine Botschaft vermitteln und ein Bauwerk kann Teil des Gesamtkunstwerks “Stadt” sein.

Architekten verstehen sich daher oft als verantwortliche Baukünstler. Wir finden das nicht gut, denn anders als in der Malerei, Bildhauerei oder Schriftstellerei, entsteht das “Werk” nicht allein durch die Architekten. Natürlich zeichnen Architekten für einen wichtigen Teil des Werks verantwortlich, aber eben nur für einen Teil. Ein Gebäude nämlich ist erst dann ein Gesamtkunstwerk, wenn auch seine Funktionen, seine Einzelteile und die Details perfekt sind. Architekten gelingt das aber nicht ohne die Hilfe anderer. Wenn also von Baukünstlern die Rede ist, dann sollte das gesamte Bauteam gemeint sein. Bauwerke sind immer eine Teamleistung – Ingenieure und Handwerker gehören ebenfalls zu der Künstlergruppe.

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Künstler – der Ruf schadet den Architekten

Künstler möchten verändern und die Welt zu einer besseren Welt machen. Das Publikum sind wir alle. Künstler sind zweifelsfrei für eine Gesellschaft von großer Bedeutung. Doch ihnen werden eben auch weniger schöne Eigenschaften nachgesagt, ohne die sie möglicherweise ihren leidenschaftlichen Weg nicht gehen könnten. Man sagt, Künstler seien arrogant, exzentrisch, eigenbrötlerisch, launisch, umtriebig, arm, leidenschaftlich, chaotisch, promiskuitiv, narzisstisch oder cholerisch. Vielleicht sind das Klischees, die sich vom Neid der Kritiker nähren. Vielleicht strahlen diese Klischees aber auch eine gewisse Attraktivität aus. Anscheinend sind Künstler ein wenig “besonders”. Vielleicht macht dieser Nimbus Menschen erst zu Architekten.

grafik tusche koloriert

Das Gesetz der Kreativität

Was ist Kunst? Laut Wikipedia ist Kunst ein menschliches Kulturprodukt und das Ergebnis eines kreativen Prozesses. Das Kunstwerk steht am Ende des Prozesses und die Kreativen werden Künstler genannt. Die ursprüngliche Bedeutung von “Kunst”, die sich als “Gegensatz zur Natur” auf alle Produkte menschlicher Arbeit bezieht, hat sich indes erhalten (wie z.B. Kunststoff).

Was ist ein kreativer Prozess? Wikipedia schreibt: In einem kreativen Prozess erschafft man ein reales Ergebnis aus einer Kombination von Ordnung und Chaos. Ordnung bedeutet Zwang, Gesetz, Berechnung, logisches und konvergentes Denken. Chaos steht für Freiheit, Zufall, Spontanität und divergentes Denken. Ein Kunstwerk ensteht also in einen kreativen Prozess, der zugleich durch Chaos und Ordnung geprägt ist. Damit die Kombination gelingt, braucht es zusätzlich ein Ökosystem mit Kreisläufen, Rückkopplungen, Kommunikation und Selbstorganisation (Artikel agiles Arbeiten).
Fazit: Wenn ein Kunstwerk das Ergebnis von Prozessen eines Ökosystems ist, dann ist nicht der Architekt, sondern das Ökosystem der eigentliche Künstler. Es ist folglich falsch, wenn eine Berufsgruppe für sich in Anspruch nimmt, Schöpfer von Baukunst zu sein. Es ist Zeit umzudenken!

Das Kind im Künstler und die Lust der Bestätigung

Worte können irreführend sein und das Vertrauen in einen Berufsstand schmälern. Im folgenden Text sind problematische Sachverhalte so [?] markiert.

Zum Beispiel soll Picasso folgendes gesagt haben: “Jedes Kind ist ein Künstler. Die Schwierigkeit besteht darin, als Erwachsener ein Kind zu bleiben. Es heißt, Künstler nehmen sich auch im Alltag Zeit, ihre kindliche Seite auszuleben [?], intuitiv zu handeln und auf Entdeckungsreise [?] zu gehen. Die besten Ideen finden sie vor der eigenen Haustür, solange sie nur die Augen offen halten. Durch die natürliche Neugier [?] entwickeln Künstler sich aus sich heraus und kreieren Trends”.

In unseren folgenden Thesen verstecken sich auch Vorbehalte, die dem Ruf der Architekten nicht zuträglich sind: Kunst ist Innovation und Künstler sind Innovatoren. Künstler umgeben sich gerne mit Menschen, die ihre Ideen ernst nehmen – sie sind gerne in ihrer Community. Sie meiden Gruppen [?], die ihre Ideen ablehnen. Kritiker geraten beim Künstler in Generalverdacht, negative Menschen zu sein. Das wiederum ahnen die Kritiker. Sie möchten nicht destruktiv sein und verkneifen sich daher [?] die Kritik am Werk. Also schweigt das kritische Publikum [?] aus Rücksicht und Respekt vor dem Künstler. Das Schweigen deutet der Künstler als Bestätigung und Bestätigung macht Künstler glücklich.

Dieser Abschnitt erzählt von offenen und versteckten Vorurteilen und Fakten, die dem Berufsstand der Architekten schaden.

Nur Kritik von Kollegen findet Gehör

Es folgen unverschämte Zeilen: Architekten nehmen konstruktive Kritik von Kollegen und Fachleuten nur dann an, wenn diese sich vorher mit dem Werk auseinandergesetzt haben und ihre Kritik sachlich dargelegt haben. Bauherren können oft keine konstruktive Kritik äußern. Ihnen fehlen die passenden Worte und das Fachwissen. Kritische Argumente von Laien sind für Architekten tendenziell eher haltlos. Architekten unterstellen, dass Kritik von Laien nicht konstruktiv sein kann ?. Oft vermengt sich diese Einschätzung mit einer anderen menschlichen Eigenschaft: dem Narzissmus. Eine gesunde Portion davon darf man haben, Künstler neigen jedoch zu einer gesteigerten Form ?. Fehlende Empathie macht Künstler empfindlich gegenüber Kritik ?, denn Kritik verletzt ihre Eitelkeit ? und kratzt an ihrem Selbstverständnis, eine wichtige gesellschaftliche Rolle zu haben. So entsteht das Bild von Architekten im Elfenbeinturm. In diesem Artikel zum Humbold-Forum in Berlin finden sich viele Belege für unsere unverschämten Thesen. Wenn du Architekt bist und bis jetzt nicht weggeklickt hast, dann bist du vermutlich einer der Kollegen, die sich mit unseren Haltungen identifizieren können.

Picasso hat recht: Architekten und Künstler müssen ein wenig sein wie Kinder. Man begegnet ihnen freundlich und wohlwollend. Allerdings wird man einem Kind nicht ohne Weiteres sein Geld anvertrauen und darum ist das Künstlerbild ein Problem für die Berufsgruppe der Architekten und Innenarchitekten.

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