Jeder kennt das aus seinen E-Mails: Think before you print. Es stimmt, wir sollten nicht alles ausdrucken. Doch die Bauindustrie scheint das nur wenig zu interessieren, denn sie feiert den 3D Hausdruck als das nächste große Ding. Aber ist es wirklich sinnvoll, mit einem riesigen 3D Drucker ein Haus auf ein Grundstück zu spritzten? Das Internet ist voller Geschichten, die von der baldigen Markteinführung dieser neuen Baumethode künden (Tagesschau, Zinsland, Handwerker Zeitung). Sie behaupten, dass sich ein BIM-Modell ruck zuck in Beton ausgedrucken lässt (3D Druck Gebäude). Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich darüber, dass sein bisheriges Fachwissen über das Machbare überholt scheinen. Bauen soll bald so einfach sein wie Kekse backen. Statt süßer Hexenhäuschen entstehen aber echte Häuser aus Beton. Backe, backe Kuchen, der Bäcker hat gerufen und ZACK, fertig ist das Gebäude.
Allen diesen Beiträgen fehlt leider der fachliche Tiefgang und der kritische Blick. Im Internet fabuliert man von der Zukunft des Bauens und von Gebäuden aus dem Drucker. Wenn solche Narrative unsere Bauherren und Kunden erreichen, werden auch wir mit überflüssigen Fragen konfrontiert, die wir beantworten müssen. Das kostet Zeit und stört uns bei der Arbeit. Das soll bitte aufhören. Daher stelle ich in diesem Beitrag Fragen und vertrete gegenteilige Meinungen. Solange es auf meine Fragen keine vernünftigen Antworten gibt, bleibe ich dabei: Häuser aus dem 3D-Drucker sind Blödsinn.
Woher kommt die Lust am (H) Ausdrucken?
Zum Bauen braucht man Fachleute und Bauarbeiter, sagt man. Man sagt auch, dass da, wo Menschen arbeiten, Fehler gemacht werden. Wer vom Bauen wenig Ahnung hat, aber zu allem eine Meinung hat, kommt zu folgendem Schluss: ➊ Je weniger Menschen beteiligt sind, desto weniger Fehler passieren. ➋ Ein Drucker druckt von alleine und um Wände zu drucken braucht man keine Bauarbeiter, sondern nur einen großen Drucker. ➌ Handwerker können zu Hause bleiben, weil die sowieso zu teuer sind und es doch schon eine Alternativen gibt. Die Quintessence lautet: Häuser sollten nur noch gedruckt werden.
Die Fakten am Bau sprechen eine andere Sprache: Beton und Zement verursachen jede Menge CO2 und sind zweifellos als Baustoff der Zukunft ungeeignet. Ignoriert man das, bleiben dennoch einige Fragen:
In Mitteleuropa müssen Außenwände isoliert werden, um Wärmeverluste zu vermeiden. Gedruckte Wände haben keine ausreichende Dämmung. Wie wird also gedämmt und wie werden Wärmebrücken vermieden? Den gedruckten Wänden fehlt außedem die Bewehrung. Wie werden gedruckte tragende und austeifende Wände armiert? Beton schwindet normalerweise bei der Aushärtung, doch gedruckte Grundrisse haben keine Dehnungsfugen. Wie vermeidet man Risse? Eine gedruckte Betonwand ist sehr schwer und braucht ein Fundament bzw. eine Bodenplatte. Beides kann nur konventionell gebaut werden. Erdreich muss ausgehoben werden, der Untergrund planiert und verdichtet werden. Schließlich muss auch eine Dämmung unter der Bodenplatte verbaut werden. Dafür kommen letztlich doch die üblichen Rohbaugewerke mit ihren Facharbeitern auf der Baustelle zum Einsatz. Die Geschichte vom komplett gedruckenten Haus ohnehin nicht – man denke nur an Fenster und Installation.
Bedingt durch das schichtenweise Drucken, sind die fertig gedruckten Wandflächen uneben. Auch gedruckte Wände müssen vor Feuchtigkeit geschützt und abgedichtet werden. Wie soll aussen eine Abdichtung an unebenen Wandoberflächen (Rillen vom Drucken) angebracht werden? Wie sehen die Ausführungsdetails für z.B. der Wärmedämmung aus? Um ebene Oberflächen herzustellen, sind aufwändige manuelle Nachbehandlungen erforderlich. Für die braucht man weitere Facharbeiter und auch Baugerüste, über die auch die oberen Abschlüsse der Wände handwerklich nachbearbeitet werden müssen, um technisch saubere Auflageflächen für Deckenplatten herzustellen. Geschossdecken können nämlich nicht gedruckt werden. Sie werden als Fertigteile auf der Baustelle angeliefert und dort montiert bzw. vergossen. Also sind zusätzlich auch noch Fertigteilwerke involviert. Es stellt sich die Frage, warum man nicht gleich die Wände als Fertigteile herstellt? Fertigteilwände zu montieren ist definitiv schneller, als die zu drucken, denn der Aufwand für die Baustelleneinrichtung, den Aufbau des riesigen Druckers und des Schutz-Zeltes entfällt.
Während und nach dem Drucken muss es trocken sein -es darf nicht regnen. Frisch gedruckte Betonschichten würden wegschwimmen bzw. nicht aushärten. Mit großem Aufwand (Statik, Konstruktion, Transport, Montage, Demontage) muss vor dem Drucken ein großes Wetterschutzdach über der gesamten Baustelle errichtet werden. Das verursacht weitere Kosten und CO2. Ein Betondrucker bzw. Portaldrucker ist eine wirklich große Maschine, die vorher zur Baustelle transportiert, montiert und eingerichtet werden muss. Nach jedem Drucken muss sie gründlich gereinigt werden und wer jemals einen Druckschlauch einer Betonpumpe sauber gemacht hat, weiss, was das bedeutet. Das Druckmaterial muss, genau wie Ortbeton, zunächst zur Baustelle transportiert werden. Auch das verursacht Kosten und CO2. Für die zum Drucken erforderlichen Fliesseigenschaften des Betons kommt viel Bauchemie zum Einsatz, die der Nachhaltigkeit nicht zuträglich sein dürfte. Ich frage mich, wie man überaupt auf die Idee kommen kann ein Haus zu drucken. “Crazy! Das setzen wir um. Ob es sinnvoll ist? Laß uns das zurückstellen und Investoren finden.” Hat sich da jemand in einer nerdigen Idee verlaufen? Ganz sicher war es kein Baumensch, der die Hausdruck-Idee hatte.
Häuser nach Katastrophen – eine Nebelkerze
Damit die Realität am Bau nicht die Oberhand gewinnt, wird noch schnell eine kommunikative Nebelkerze gezündet: Die Katastrophenhilfe. Ne, is klar, nach Sinnfluten und Erdeben brauchen obdachlose Menschen schnellstmöglich eine Betonhütte.
Ein saustarkes Bild: Die von Flugzeugen mit Fallschirmen abgesetzten 3D-Drucker rotzen im Stundentakt hunderte Behausungen auf den Boden und schon 24 Stunden später ist Einzug. OMG – das tut fast weh. Folgende Fragen dazu: Woher kommt nach einer handfesten Katastrophe der Beton? Betontransport ist eine komplizierte Sache, denn er härtet praktischerweise schnell aus. Beton muss schnell verarbeitet werden. Daher müssen Betonwerke in der Nähe sein. Woher kommen die LKW und die Beton-Mischer für den Transport? Wer mischt den Spezial-Beton für die Drucker an? Woher kommt der Zement und der Sand? Wer baut die riesigen Drucker auf und woher kommt der Strom für deren Betrieb?
Ein Lehmhaus aus dem 3D-Drucker
Anders als im 3D Modellbau, bei dem Kunststoffe genutzt werden, braucht man für Gebäude tragfähiges und witterungsbeständiges Material. Die Kommunikations-Strategen argumentieren, dass man in Zukunft auch mit Lehm drucken kann. Wenn kein konventionelles Baumaterial vorhanden ist, dann wird der Boden genutzt, auf dem das Haus steht. Das Erdreich wird mit Wasser verrührt und im Drucker verarbeitet. Dieser schichtet dann die “Lehmwurst” wie von Zauberhand maßgenau nach dem BIM-Modell. Man druckt also nicht mit Beton, sondern mit Matsche.
Klingt eigentlich ganz gut, aber hierzu hätte folgende kritische Frage: Seit Jahrtausenden weiss man, dass Lehm getrocknet und verdichtet werden muss, um stabil zu werden. Manchmal wird Lehm auch gebrannt, um auszuhärten. Außerdem eignet sich nicht jedes Aushubmaterial zum Bauen, z.B. wegen der ungeeigneten Zusammensetzung der Körnung. Beim Drucken muß das Rohmaterial fließen können. Wie also soll gedruckter Lehm ohne Verdichtung, Trocknung und ohne riskante Zuschlagstoffe zur schnellen Aushärtung gebracht werden?
Es stimmt, dass man weltweit an umweltfreundlichen Filamenten arbeitet (Rohmaterial / Druckertinte für den 3D-Druck). Dafür werden dem Druckmaterial Zuschlagstoffe aus pflanzlichen Abfallprodukten wie Pflanzenfasern und Kaffeesatz hinzugefügt, denn nur, wenn biologisch abbaubare Filamente aus menschlichen, pflanzlichen, tierischen und andere Abfällen zum Einsatz kommen, darf man von einem nachhaltigem 3D-Druck sprechen.
Es wäre gut, die Bauindustrie würde sich auch hier ein Beispiel an der Automobilindustrie nehmen. Erstens versteht die mehr von Automatisierung und Robotik und zweitens werden Konzeptstudien neuer Fahrzeugmodelle auch als solche bezeichnet. Kein Mensch würde im Autohaus nach der selbstfahrenden Wasserstoff-Studie von der letzten IAA fragen. Man sollte den experimentellen Charakter des 3D Gebäudedrucks verdeutlichen – das wäre realistisch und würde für mehr Klarheit sorgen.
Lieber nur noch für eine Generation bauen
Es gibt tatsächlich sehr interessante Entwicklungen. An einer nachhaltigen Lösung experimentiert die Firma WASP mit ihrem Gaia-Haus, einem aus natürlich vorkommenden Stoffen bestehenden Gebäude. Der Firmenname leitet sich aus dem englischen Wort Wasp (Wespe) her, denn Wespennester sind Vorbild für die wabenartige Wandstruktur dieser gedruckten Häuser. Auch bei der Kühlung der Wände standen Wespennester Pate. Eine wirklich gute Idee. Allerdings konnte das Problem der natürlichen Verrottung und der Empfindlichkeit gegen Feuchte noch nicht gelöst werden. Nicht umsonst bauen Wespen ihre Nester immer an trockenen Orten. Feuchte Nester werden schwer und instabil und zerfallen. Natürliches Baumaterial wie Holz oder Stroh ist nun mal vergänglich. Mineralisches Material kann dagenen Jahrhunderte überdauern.
Möglicherweise sind die üblichen Anforderungen an private Behausungen überholt. Wir müssten stattdessen mit natürlichen Baustoffen vergänglich bauen! Baumaterial ist in der Vergangenheit immer haltbarer geworden, aber es erreicht seine Lebensdauer gar nicht mehr! Weil Mode und Nutzungsgewohnheiten sich verändern, werden Häuser regelmäßig umgebaut. Der Umbauzyklus wird immer kürzer. So liegt die tatsächliche Nutzungszeit von Innenwänden bei gerade einmal 30 Jahren. Die Langlebigkeit von Baustoffen kann sogar zum Problem werden, wenn neue Erkenntnisse zum Umweltverhalten gewonnen wurden. Styropor und Asbest sind nur zwei Beispiele für problematische Baustoffe mit einer langer Standzeit. Der gefürchtete Faserbaustoff trägt es schon im Namen, denn das griechische Wort „asbestos“ bedeutet “unvergänglich”…
Fachinfo zum 3D Hausdruck
Ist der 3D-Druck also wirklich die Zukunft des Bauens? Solange es keine befriedigende Antworten auf die oben gestellten Fragen gibt, sind Geschichten von Häusern aus dem 3D-Drucker lediglich Nebelkerzen und Luftschlösser. Das gilt besonders für europäische Klimaverhältnisse. Man gaukelt den Bauherren mit dem 3D Hausdruck eine unrealistische Bauwelt vor. Aber wer könnte Interesse daran haben, uns in einen Massivhaus-Märchenwald zu locken? Geht es um den Schutz der Zementindustrie? Es ist falsch Beton als Baustoff der Zukunft anzupreisen, egal in welcher Form. Bauen muss nachhaltiger werden und das gelingt nicht mit Zement und Beton.
Hier findest Du eine Übersicht über Firmen, die 3D-Druck-Häuser anbieten bzw. Drucker bauen. In den Beiträgen der DBZ wird der Stand der Technik neutral sehr gut aufbereitet. Der Ausdruck von Sonderbauteilen, z.B. im Ziegelbau, im Altbau oder für die Rekonstruktion bzw. der Ergänzung einer bestehenden Konstruktion ist der 3D-Druck tatsächlich ein interessanter Anwendungsfall.
Presse und Veröffentlichungen rund um den 3D Hausdruck
Der Artikel “Haus aus dem 3D-Drucker ist einzugsbereit” beschreibt gar kein Haus aus dem 3D-Drucker. Das Haus wurde nicht vor Ort gedruckt. Vielmehr handelt es sich um ein elementiertes Betongebäude, was in einer Fabrik gedruckt wurde und dann in Einzelteilen auf die Baustelle geliefert wurde. Das Gebäude ist kein Haus aus dem Drucker. T3N vom 6.5.2021.
Ein anderes Video zeigt den immensen Aufwand, den ein gedrucktes Haus tatsächlich erzeugt. Allein zum Aufbau des riesigen 3D-Druckers wird einen Schwerlastkran benötigt. Der Portal-Plotter steht auf großen Einzelfundamenten und muss Millimetergenau ausgerichtet werden. Druckmaterial und Druckerkopf sind sehr schwer. Während des Druckens wirken erhebliche dynamische Lasten auf die Fundamente. Entsprechend stabil und massiv muss der Drucker selbst konstruiert sein. Im Video sieht man auch das große Schutzzelt über der gesamten Baustelle. Es stimmt nicht, dass für das Drucken von Häusern weniger Personal gebraucht wird. Mehrere Ingenieure (Kosten!) überwachen den Druckprozess. Laufend muss handwerklich eingegriffen werden, wenn z.B. Steckdosen oder andere Einbauteile einzuarbeiten sind. Auch sind Fenster- und Türstürze mit Sonderkonstruktionen abzustellen. Selbstverständlich wurde zuvor eine stabile Bodenplatte gegossen, die in konventioneller Bauweise errichtet wurde. Die Firma Heidelberg Cement hat ein besonderes Druckmaterial entwickelt, das vom Portalplotter verarbeitet werden kann und entsprechende Viskosität besitzt. Der Druckvorgang wird eng überwacht. Selbst die Verarbeitungstemperatur des Betons wird laufend kontrolliert, um optimale Abbindeeigenschaften zu erreichen. Die bereits aufgetragen Schichten müssen stabil sein, bevor die nächste Schicht aufgedruckt wird.
Henrik Lund-Nielsen, der reichlich arrogante CEO von COBOD, dem Hersteller eines 3D-Portal-Druckers, verrät in diesem Interview, dass längst nicht alles Gold ist was glänzt. Er macht deutlich, dass gedruckten Häuser derzeit noch nicht günstiger als konventionelle Bauten. Er räumt auf mit dem Märchen, dass Häuser in 24 Stunden gedruckt wären. Stattdessen dauert es derzeit noch vier Monate! Henrik Lund-Nielsen spricht von weltweit gerade mal 35 gedruckten Gebäuden und er gibt zu, dass im Markt viel dummes Zeug über die Baumethode und deren Möglichkeiten verbreitet wird. Ihm kommt das zugute, denn so findet er Investoren (Peri) und immer wieder Neukunden für Projekte. Interessant ist übrigens auch, dass fast alle Videos auf Youtube den Drucker von COBOD zeigen. Wird der Hype vielleicht nur von einem Unternehmen befeuert, das auch im jüngsten Beitrag des Handelsblattes werbewirksam genannt wird?