Baukosten haben höchste Priorität

Die öffentliche Meinung über Architekten ist ambivalent: Sie sind Künstler, weltoffen, innovativ, sensibel und kulturell interessiert… alle Klischees werden bedient. Der Beruf steht allerdings auch in der Kritik:

  1. Architektenhonorare sind zu hoch und nur wenige private Bauherren können sich ein Architektenhaus leisten.
  2. Architekten verdienen mit, wenn die Baukosten steigen.
  3. Fehlplanungen sind die Ursache von Kostenexplosionen, wie bei der Elbphilharmonie und beim Flughafen Berlin.

Wir von Baumensch vertreten differenzierte Haltungen: Einerseits sind wir vom Mehrwert durch Architekten im Bauprozess überzeugt, anderseits sehen wir erhebliches Verbesserungspotential.

Die Bundes-Architektenkammer vertritt in Deutschland 16 Länderkammern mit 130.000 Mitgliedern. Im März 2017 konnte man im Deutschen Architektenblatt einen Beitrag finden, der sich mit der Überschreitung von Baukosten befasst. Titel: “Kostenbremse kann teuer werden. Bauherren verlangen zunehmend von Architekten die strikte Einhaltung von Budgetvorgaben. Welche Gefahren lauern – und wie kann ein fairer Vertrag hierzu aussehen?”
Als Reaktion auf den DAB-Artikel ist dieser kritische Text entstanden – unser Kommentar.

Augen auf vor der Realität

Eins vorweg: Die im Aussagen zur Vertragsgestaltung und zur Informationspflicht finden wir angemessen, aber: der Titel des Artikel ist tendenziös und deutet in die falsche Richtung! Bauherren verlangen zunehmend die Einhaltung von Budgetvorgaben.

Wieso denn “zunehmend”? Ist das Einhalten von Budgets eine neue oder besondere Anforderung? Bestätigt das etwa die schlechte Meinung zur Budgetreue? Sind die prominenten Negativ-Beispiele symptomatisch? Projekte, bei denen die Baukosten aus dem Ruder liefen gibt es ja genug: Flughafen Berlin, Elbphilharmonie Hamburg, Stuttgart 21…

Wir von Baumensch wollen etwas für den guten Ruf von Architekten und Ingenieure tun. Der DAB-Beitrag bestätigt den dringenden Bedarf. Er dokumentiert eindrucksvoll die Realitätsferne der offiziellen Interessenvertretung! Der Rat an die Architektenschaft lautet nämlich, man solle die Kostenverantwortung auf bestimmte Bereiche beschränken.

  • die Verantwortung für Kosten von “Sonderfachleuten soll ausgeklammert werden
  • die Koordinierung von Sonderfachleute bedeutet nicht, dass Einfluss auf die Fachplanung besteht (z.B. Kosten für Haustechnik)
  • die Verantwortung für Gesamtkosten soll in Vertragsklauseln vermieden werden
  • eine Verbindliche Aussage zu Kosten soll erst am Ende der Entwurfsplanung erfolgen, also kurz vor dem Bauantrag

Bleibt die Frage, wie ein Bauherr die daraus resultierenden Unsicherheiten kompensieren soll. In aller Regel ist der Bauherr ein Laie und der Architekt sein wichtigster Ansprechpartner! Wer, wenn nicht der Architekt, soll sich um die Sonderfachleute und deren Kosten kümmern? Nur ein Architekt, der seiner Pflicht zur Gesamtkoordination nachkommen will, kann das tun. Hier vermissen wir ein klares Bekenntnis zur Verantwortung im Sinne des Bauherrn! Die Verantwortung für das Baubudget muss höchste Priorität haben, denn der Architekt ist der Anwalt des Bauherren ist. Nur dann kann verlorengegangenes Vertrauen zurückgewonnen werden.

Es ist sicher nicht beabsichtigt, sich vor der Verantwortung zu drücken, aber wenn die Handlungsempfehlung  nur der Absicherung dienen, dann läuft etwas falsch.

Urteil zu Baukosten

Beim Bauen im Bestand sind 21% Abweichung von der Kostenberechnung kein Kündigungsgrund. Der Auftraggeber kann einen Architektenvertrag aus wichtigem Grund kündigen. Wichtige Kündigungsgründe, die der Architekt zu vertreten hat, sind u. a. die wesentliche Abweichung von vertraglichen Vorgaben, eine schleppende, zögerliche und unzureichende Leistungserbringung trotz Fristsetzung, die Verursachung besonders grober Mängel, die Verletzung von Kooperationspflichten, aber auch die schuldhafte, erhebliche Überschreitung von Vertragsfristen und von Baukosten. Beim Bauen im Bestand steht dem Architekten bei der Kostenberechnung ein Toleranzrahmen zwischen 20 und 25% zur Verfügung. OLG Naumburg, Urteil vom 28.02.2018 – 3 U 36/17; BGH, Beschluss vom 09.10.2019 – VII ZR 167/16 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Urteile zu Honorar und Vertrag

HOAI ist auch zwischen Privaten nicht mehr anwendbar. Die Parteien eines Architektenvertrags konnten eine Honorarvereinbarung nur im Rahmen der durch die HOAI festgesetzten Mindest- und Höchstsätze treffen, weshalb im Falle von den Mindestsatz unterschreitenden Vereinbarungen der Architekt oder Ingenieur im Regelfall die Mindestsätze verlangen konnte. Allerdings hat der EuGH durch Urteil vom 04.07.2019 festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland durch die Beibehaltung verbindlicher Honorare für die Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren gegen Europarecht verstoßen hat. Aus der Feststellung des Vertragsverstoßes folgt für den verurteilten Mitgliedstaat die Pflicht, den Verstoß zu beenden. Diese Pflicht trifft sämtliche Stellen des verurteilten Staats, somit auch die Gerichte. Hieraus folgt nach Ansicht des OLG Düsseldorf, dass das Preisrahmenrecht der HOAI nicht mehr angewendet werden darf. LG Düsseldorf, Urteil vom 17.09.2019 – 23 U 155/18

Mindestsätze der HOAI sind auch in Altfällen nicht mehr anwendbar. Das OLG Schleswig hat am 25.10.2019 entschieden, dass die Mindestsätze der HOAI wegen Verstoßes gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht auch in Altfällen nicht mehr anwendbar sind. OLG Schleswig, Urteil vom 25.10.2019 – 1 U 74/18

Eine Honorarvereinbarung kann per E-Mail geschlossen werden: Eine Honorarvereinbarung ist nicht gem. § 7 Abs. 1 HOAI 2013 unwirksam, weil sie auf elektronischem Weg und damit nicht schriftlich geschlossen wurde. OLG Celle, Urteil vom 01.04.2020 – 14 U 185/19

Ein Vermögensverfall indiziert Unzuverlässigkeit und führt zur Löschung aus der Architektenliste.  Ein Architekt ist unzuverlässig, wenn er nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht zeigt, dass er seinen Beruf künftig ordnungsgemäß ausüben wird. Für die Prüfung der Unzuverlässigkeit kommt es auf den jeweiligen Beruf bzw. das jeweilige Gewerbe und den Schutzzweck der entsprechenden berufs- bzw. gewerberechtlichen Bestimmungen an. Aufgrund eines nachträglich eingetretenen Vermögensverfalls besitzt ein Planer bzw. Bauüberwacher die für die Führung der geschützten Berufsbezeichnung “Architekt” erforderliche berufliche Zuverlässigkeit nach dem Urteil des VG Ansbach vom 02.03.2020 nicht mehr. VG Ansbach, Urteil vom 02.03.2020 – 4 K 17.607

Bauvorbereitende und -begleitende Betreuung ist nur eine Dienstleistung. Ergibt sich aus dem vertraglichen Leistungskatalog, dass der Architekt/Ingenieur nur bauvorbereitende und baubegleitende Betreuungsleistungen erbringen soll, wobei er nicht verpflichtet ist, für deren jeweiligen Erfolg einzustehen, ist ein Dienstvertrag anzunehmen. OLG Brandenburg, Beschluss vom 21.01.2020 – 12 U 69/19

Links im Internet sind gleichwertige Vergabeunterlagen. In der Leistungsbeschreibung kann auf technische Anforderungen Bezug genommen werden. Der Text eines in den einschlägigen Fachkreisen bekannten, für jedermann über das Internet innerhalb kürzester Recherche kostenlos zugänglichen Regelwerks muss den Vergabeunterlagen deshalb nicht beigefügt werden. VK Bund, Beschluss vom 30.10.2019 – VK 1-77/19

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